“Das neue Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Neuseeland ist ein Vorreiter in Bezug auf Nachhaltigkeit”, erklärte die Geschäftsführerin der Aussenhandelskammer (AHK) Neuseeland, Monique Surges im Interview. Sie sieht Potenzial, die deutschen Exporte in den Inselstaat auszuweiten.
Die langjährige Geschäftsführerin der German-New Zealand Chamber of Commerce (AHK Neuseeland) erläuterte im Gespräch, welche Chancen das Abkommen (seit Mai 2024 in Kraft) für Unternehmen bietet und wie es sich ihrer Meinung nach auf die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Neuseeland und Deutschland auswirken wird.
Frau Surges, werden sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Neuseeland durch das Freihandelsabkommen verändern?
Ja. Deutschland ist derzeit der größte Handelspartner Neuseelands in der EU und einer der größten Investoren. Jedoch machen Exporte nach Neuseeland derzeit nur 0,1 Prozent der gesamten deutschen Exporte aus, was zeigt, dass hier großes Potenzial besteht.
Das Freihandelsabkommen bietet eine hervorragende Gelegenheit, diesen Anteil zu erhöhen. Durch die Abschaffung aller Zölle auf deutsche Produkte, erleichterten Zugang für deutsche Firmen zum neuseeländischen Dienstleistungsmarkt, erhöhte Bewegungsfreiheit für Geschäftsleute und ein günstiges Investitionsklima wird der Handel deutlich gefördert werden. Die Verdopplung der Schwelle für Investitionsprüfungen in Neuseeland auf nun 110 Millionen Euro wird zudem größere Investitionen erleichtern.
Wer dürfte Ihrer Meinung nach am meisten von dem Abkommen profitieren?
Am meisten profitieren dürften Unternehmen aus den Bereichen Fahrzeugbau, Maschinenbau und Elektrotechnik. Beispielsweise profitieren Hersteller von Wohnmobilen besonders stark, da die bisherigen Einfuhrzölle von 10 Prozent entfallen. Auch die Hersteller von Spülmaschinen sparen durch den Wegfall der 5-Prozent-Zölle deutlich ein.
Welche Verbesserungen bietet das Abkommen jenseits der Beseitigung von Zöllen?
Es werden viele nicht-zollbedingte Handelsbarrieren abgebaut, was Unternehmen und Investoren den Marktzugang erleichtert. Effizientere Zollverfahren und transparente Regelungen, die Harmonisierung technischer Standards sowie die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen reduzieren Kosten und Aufwand.
Zudem werden im digitalen Handel rechtliche Sicherheiten für digitale Transaktionen und der grenzüberschreitende Datenfluss gefördert. Der verbesserte Schutz geistigen Eigentums sichert Wettbewerbsvorteile für deutsche Produkte auf dem neuseeländischen Markt.
Dies betrifft unter anderem deutsches Bier und Wein, aber auch Süßwaren wie Lübecker Marzipan oder Lebensmittel wie Spreewälder Gewürzgurken. Des Weiteren bietet die Öffnung des neuseeländischen öffentlichen Beschaffungsmarkts bessere Chancen bei öffentlichen Ausschreibungen, insbesondere in den Bereichen Infrastruktur und Gesundheitswesen.
Mit dem Inkrafttreten des Abkommens wird auch der Handel mit Umweltgütern und Umweltdienstleistungen erleichtert. Wo sehen Sie hier Geschäftschancen für deutsche Unternehmen?
Das EU-Neuseeland-Freihandelsabkommen, das ein Vorreiter in Bezug auf Umwelt und Nachhaltigkeit ist, eröffnet Unternehmen Geschäftschancen in verschiedensten Dienstleistungs- aber auch Produktionsbereichen.
Der Schwerpunkt des Abkommens liegt auf der Förderung von Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, erneuerbaren Energien und nachhaltigem Ressourcenmanagement.
Durch den im Abkommen verankerten Abbau von Handels- und Investitionshindernissen für klimafreundliche Technologien können sich deutsche Unternehmen in einem Markt etablieren, der aktiv den Klimawandel bekämpft.
Das Abkommen unterstützt zudem die internationale Zusammenarbeit in handelspolitischen Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Dies bietet deutschen Unternehmen die Möglichkeit, an internationalen Projekten teilzunehmen und ihr Fachwissen global einzubringen. Merken Sie schon jetzt eine Veränderung? Beispielsweise durch mehr Unternehmensanfragen oder Investitionsvorhaben?
Ja, wir bemerken bereits eine Veränderung. Wir erhalten Anfragen sowohl von deutscher als auch von neuseeländischer Seite bezüglich des Freihandelsabkommens. Derzeit sind wir in einer Phase, in der wir Unternehmen und Investoren die Vorteile und Möglichkeiten des Abkommens näherbringen müssen. Es liegt nun an uns, die Chancen, die sich durch das Abkommen ergeben, zu vermitteln.
Besteht auf neuseeländischer Seite genauso großes Interesse wie in Deutschland?
Unsere Roadshows in Neuseeland, die alle sehr gut besucht sind, zeigen das große Interesse an dem Abkommen von neuseeländischer Seite. In Deutschland ist die Wahrnehmung geringer – hier sind wir als Handelskammer der richtige Ansprechpartner für Unternehmen, die sich für den neuseeländischen Markt interessieren und die Chancen nutzen möchten, die das Freihandelsabkommen bietet.
Das Freihandelsabkommen ist übrigens nur eine von mehreren Initiativen, die die Bindung zwischen Neuseeland und Europa vertiefen sollen. Eine weitere wichtige Säule ist Horizon Europe, der weltweit größte Forschungsfonds, der multilaterale Forschungsprojekte zu wegweisenden Themen fördert – Neuseeland ist das erste Industrieland außerhalb Europa, das sich mit Horizon Europe assoziiert hat. (NN/GNZCC – 15-07-24)