Informativ, exklusiv und absolut magisch
“Ein Nationalmuseum, das international federführend arbeitet und weltweit seinesgleichen sucht” – so wurde das “Te Papa” in Wellington oft von der Fachwelt gelobt. “Te Papa Tongarewa” bedeutet auf Maori soviel wie “ein Behälter, in dem kostbare Gegenstände aufbewahrt werden”.
Und dieser Namensgebung wird das Nationalmuseum mehr als gerecht. Auf sechs Stockwerken beherbergt das Designergebäude, das 1998 eröffnet wurde, unzählige interaktive Ausstellungen. Seltene Exponate liefern einen hochinteressanten Einblick in die Entwicklung der einmaligen Natur des Landes, die ganz eigene Geschichte der relativ jungen Nation im Pazifik und in die sagenumwobene Kultur der Maori.
Stetig wechselnde hochkarätige Sonderausstellungen ergänzen das Museumserlebnis und machen jeden Besuch zu einer ganz besonderen Reise in eine vielfältige, lehrreiche Welt. Einige Neuseelandfans mögen nun denken, “Te Papa, was ist daran neu”? Das Erdbebenhaus in “Awesome Forces”, die Geschichte der Immigranten in der Ausstellung “Passports” oder die ausgestopften Kiwis, Keas und Possums in “Mountains to Sea” – doch selbst Deutsche, die in Wellington wohnen und Dauergäste sind, entdecken immer wieder Ecken im Museum, die sie noch nicht gesehen haben. Ziemlich unbekannt und bislang völlig unbeachtet, sind die angebotenen professionell geführten Touren durch das Museum. Und die sind wirklich ein Geheimtipp.
“Das ist Kawakawa. Wir benutzen die Blätter als Tee. Die angefressenen Pflanzenteile mit den Löchern sind die besten. Die Raupen wissen nämlich genau, welche am besten sind. Kawakawa Tee hat einen leichten Pfeffergeschmack, angenehm, nicht aufdringlich.”, verrät Tourguide Rangimoana Taylor. “Und die Blüten des Baumes sind antiseptisch. Einfach zerdrücken und in die offene Wunde reiben. Das wirkt Wunder.”
Der Pflanzenlehrpfad führt durch den an das Museum angegliederten Bush-Wald und verbirgt allerlei Geheimnisse, welche die Maori seit Jahrhunderten zu Nutzen wissen. Ein kleines Fleckchen ursprüngliches Neuseeland inmitten der City. Tui-Singvögel zwitschern mehrstimmig in den Baumfarnen. “Der Bush ist für uns Maori ungeheuer wichtig. Er bietet uns Material für den Hausbau und Kleidung, Schutz, Nahrung und Medizin – wirklich alles, was wir zum Leben brauchen! Aus den Flachsfasern hier flechten wir Kleidung, Taschen und Netze.” In der Kapu Ti Tour lernen die Interessierten auch den Unterschied zwischen Kanuka und Manuka – Neuseeland inside out.
Viele Tour-Führer des Te Papa stammen aus einem “iwi”, Maoristamm, und bekamen ihr Wissen von Generation zu Generation weiter gereicht. Offen teilen sie ihre privaten Erlebnisse und Erinnerungen mit den Besuchern. Das Te Papa ist bewusst bi-kulturell. Hier arbeiten Pakea (Weisse) und Maori eng zusammen.
Tourguide Lisa schlendert mit ihrer Gruppe der “Taste of Treasures” Tour währenddessen durch die “Mana Whenua” Ausstellung und entführt die Besucher geschickt in ihre Kindheitserinnerungen. “Dieses Waka, das Kanu hier, ist holzgeschnitzt und gehörte meinen Grosseltern. Ich weiss noch genau, wie wir im Sommer immer damit auf dem Meer gerudert sind. Das war für uns Kinder etwas ganz besonderes.”
Die geführten Touren im Te Papa sind kein blosses Deuten auf Objekte, Auflisten von Jahreszahlen oder Geschehnissen. “Dieses “Hier sehen sie dies und dort das” gibt es bei uns nicht. Jede Tour ist je nach Führer sehr individuell und immer wieder ganz anders. Auch das Interesse der Gruppe spielt dabei natürlich eine grosse Rolle.”, erklärt Bridget McDonald vom Te Papa.
Die 90minütige Tour von Rangimoana ist weiter ins Herz des Museums vorgedrungen, zum Mittelpunkt Te Hono ki Hawaiiki, Te Mare, das zentrale Maori-Versammlungshaus. Dieses von neuseeländischen Designstudenten mitentwickelte, internationale Versammlungshaus heisst mit seinen Schnitzereien alle Völker, Länder und Religionen der Erde willkommen. Vom chinesischen Drachen bis zur Heiligen Maria kann man bei genauem Hinsehen alles entdecken.
Hier spricht Rangimoana auch das offizielle Grusswort in Maori und Englisch. Er hat für jede Nation eine eigene Geschichte parat. “Tena koutou, tenakoutou, tena koutou, katoa…Nur wenige wissen, das im Jahre 1865 der deutsche Entdecker Julius von Haast einige Maori-Frauen mit auf seinem Schiff zurück nach Europa nahm.
Der österreichische Kaiser Franz Joseph I wollte von ihnen lernen.”, erklärt er den erstaunten Zuhörern. Mit charmantem Witz, fundiertem Wissen und wohl gewählten Worten reisst er jeden Besucher mit. “Wenn vor Jahrhunderten die Maori mit ihren Kindern aus dem Busch kamen, hatten sie stets ihre Speere nach oben gerichtet.” Anschaulich ahmt er die Pose nach. Dieser Haast Eagle (Adler) konnte ein kleines Kind reissen und mit sich in die Lüfte tragen. Er griff sogar den grössten heute ausgestorbenen Laufvogel der Welt an, den Moa.
Während die Gruppe noch über den “Giant Squid” (Riesen-Tintenfisch) staunt, deutet Rangimoana auf einen Rochen, der von der Decke herabhängt. “Nach einer Legende sehen wir Maori den Rochen als Neuseeland an. Das Maul vorne ist sozusagen Süden, der Schwanz hinten ist die Spitze der Nordinsel. Deshalb sagen wir auch, wir fahren nach Auckland runter oder nach Christchurch hoch, wenn wir aus Wellington kommen. Die Himmelsrichtungen spielen dabei keine Rolle.”, enthüllt er und schmunzelt über die verwunderten Gesichtsausdrücke. “Auch die Vergangenheit liegt bildlich gesprochen vor uns, wir sehen sie noch, weil wir sie erlebt haben. Wir stehen schützend vor unseren Kindern im Jetzt und die Zukunft liegt hinter uns, dunkel und noch unentdeckt. Es ist nur eine andere Betrachtungsweise.”
Über die Kura Pounamu, die Greenstone Ausstellung, die Waharoa Schnitzerei, das offizielle Eingangstor zum Te Papa aus Tuatara-Holz, bis hin zu Mythen, warum einer der Götter aus Zorn bis heute Erdbeben verursacht oder der Kiwi das stolze Nationaltier des Landes ist, liefert Rangimoana unermüdlich immer wieder neue packende Schilderungen, keine Frage bleibt unbeantwortet.
Als krönenden Abschluss setzt sich die kleine Gruppe gemeinsam an einen Tisch, um eine traditionelle Kostprobe aus typischen Speisen der Maori zu geniessen: Kawakawa Tee mit Manuka Honig, Kumara Fritten aus der neuseeländischen Süsskartoffel, eingelegte Muscheln, eine Pikopiko-Pesto, hergestellt aus jungen Farntrieben, ein Dip mit Horopito, einem ursprünglichen pfefferähnlichen Gewächs und dazu das mit Kartoffelsaft gebackene Rewena Brot. Was für ein gelungener runder Ausklang und was für eine Gaumenfreude!
Durch ein und dieselbe Ausstellung zu laufen aber die Inhalte völlig anders wahrzunehmen, sehr persönliche Hintergründe, hautnahe Geschichte und verblüffende Inspirationen präsentiert zu bekommen, das ist absolut beeindruckend! Neue Perspektiven, die einem Einblick verschaffen, in Jahrhunderte alte Geheimnisse, Mythen und Traditionen, die man alleine nie entdeckt hätte. Jeder wird in den Bann gezogen, erlebt die Schilderungen hautnah mit, wird ein Teil davon – ein Teilhaben und Teilwerden mit dem Kulturgut und der Naturwelt Neuseelands.
Nahezu 20 Millionen Gäste haben das “Haus der kostbaren Gegenstände” bereits gesehen. Für die Besucher aus Deutschland liegen deutschsprachige Broschüren bereit, einige Touren sind mit deutschsprachigen Führern buchbar und auch die “Audio-Guides” existieren in deutscher Sprache. Es gibt fünf interaktive “Discovery Centres” zum Spielen und Entdecken für Kinder jeden Alters, mehrere Shops und Cafes.
Wer sich also auf eine spannende Reise hinter die faszinierenden Kulissen Neuseelands begeben möchte, das Te Papa ist täglich von 10-18 Uhr geöffnet, donnerstags bis 21 Uhr. Der Eintritt ist frei. Gebühren werden nur für Sonderausstellungen und Touren erhoben. Preisbeispiele: Kapu Ti Tour, 40 Dollar und Taste of Treasures Tour , 24 Dollar jeweils für Erwachsene. Anja Schönborn