“North Island” und “South Island” – diese Bezeichnungen für Neuseelands Hauptinseln sind zwar geografisch tadellos, kommen jedoch zugleich recht nüchtern daher. Ganz anders muten die Namen an, die die Maori ihren Heimatinseln gaben. Te Ika a Maui ist ein riesiger Fisch, den der Halbgott Maui der Sage nach einst aus dem Ozean angelte – und die Umrisse der Nordinsel Neuseelands lassen unschwer erkennen, dass sie es war, die Maui da am Haken hatte. Die Südinsel Neuseelands nennen die Maori Te Wai Pounamu – Wasser des Greenstone. Aus ihren Flüssen nämlich wird der grüne Schatz Aotearoas gehoben.
Um diesen Schatz zu finden, muss man sich allerdings auskennen. Denn so sehr pounamu die Blicke auf sich zieht, wenn er zum Schmuckstück verarbeitet auftritt, so bescheiden versteckt er sich im Rohzustand unter einer gräulichen, gesteinsähnlichen Schicht. Sein wahres Wesen erschließt sich erst dem, der ihn abschleift und poliert. Was dann zum Vorschein kommt, kann sich farblich auf nahezu allen Facetten des Grünspektrums abspielen: mal ganz hell, selten gar fast weiß, mal auch grau-grün, oder in den intensiven Nuancen des neuseeländischen Regenwalds – bis hin zu einem tiefdunklen Grünton kurz vor der Grenze zum Schwarz. Pounamu kann sehr klar und lichtdurchlässig sein – oder matt und milchig-trübe.
Oft finden sich kleine, dunkle Einschließungen im Stein. Die Maori schätzten pounamu schon vor Jahrhunderten wegen seiner Festigkeit und Langlebigkeit. Zwar ließen sich die harten Blöcke aus Nephrit-Jade oder Bowenit nur mühevoll bearbeiten, doch der Aufwand lohnte sich. Es entstanden wertvolle und äußerst funktionale Werkzeuge und Waffen. Hatte man einmal eine spitz zulaufende Kante aus Greenstone herausgearbeitet, so blieb sie dauerhaft messerscharf.
Schon immer wurde pounamu jedoch auch für seine Schönheit bewundert und dementsprechend zur Herstellung von Schmuck verwendet. Gegenstände aus pounamu wurden von den Maori oft von Generation zu Generation vererbt, denn sie galten seit jeher als besondere Schätze (taonga), deren spirituelle Kraft sich mit jeder Weitergabe noch verstärkt. Bis heute gilt, dass Greenstone aus der Hand eines anderen Menschen empfangen werden sollte – wer sich selbst einen Kettenanhänger kauft, statt ihn geschenkt zu bekommen, verspielt nach traditionellem Glauben die stärkende Wirkweise des Schmuckstücks.
Ein Beschwerdeverfahren vor dem Waitangi Tribunal hatte zur Folge, dass pounamu seit 1997 unter dem Schutz und der Verantwortung des Stammes der Ngai Tahu steht. Sie hüten nun den Schatz ihres Volkes und sorgen mit dem nötigen kulturellen Wissen und Feingefühl sowie einem,konkreten Nachhaltigkeitsplan dafür, dass sowohl ihre eigenen Nachfahren als auch alle zugewandten Besucher in angemessener Weise daran teilhaben können.
Schmuck und Legende
Besonders reichhaltig sind die Greenstone-Vorkommen im Fluss Arahura, der nördlich von Hokitika in die Tasmanische See fließt. Die Legende weiß auch, warum. Einst entführte nämlich Poutini, Hüter des pounamu der Westküste, die schöne Waitaiki von der Nordinsel. Ihr Ehemann war ihm jedoch eng auf den Fersen, und als er fürchtete, ihm nicht mehr entkommen zu können, verwandelte er Waitaiki in Greenstone und versteckte sie im Arahura River. Immer wieder lösen sich seitdem Gesteinsbruchstücke und treiben den Fluss hinab. Man nennt sie die Kinder Waitaikis.
Maike Brünink